Rechtsprechung
BVerfG, 10.01.2022 - 2 BvR 537/21 |
Volltextveröffentlichungen (9)
- HRR Strafrecht
Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG; § 63 StGB; § 67d StGB
Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (Freiheitsgrundrecht; Sicherungsbelange der Allgemeinheit; Abwägung im Einzelfall; Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; verfassungsgerichtliche Kontrolldichte; steigende Begründungsanforderungen mit zunehmender ... - openjur.de
- Bundesverfassungsgericht
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
- rechtsprechung-im-internet.de
Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 104 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 63 StGB
Stattgebender Kammerbeschluss: Fortdauer einer bereits lang andauernden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt hinreichende fachgerichtliche Begründung der Gefahrenprognose voraus - hier: Grundrechtsverletzung durch mangelnde Konkretisierung der zu ... - Wolters Kluwer
Rechtsschutz gegen Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in psychatrischem Krankenhaus bei über zwölf-jährigem Freiheitsetziehung infolge Sexualdelikts
- rewis.io
Stattgebender Kammerbeschluss: Fortdauer einer bereits lang andauernden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt hinreichende fachgerichtliche Begründung der Gefahrenprognose voraus - hier: Grundrechtsverletzung durch mangelnde Konkretisierung der zu ...
- familienrecht-deutschland.de
GG Art. 2, Art. 20, Art. 104; StGB §§ 63, 67d; BVerfGG § 93c
Unterbringungsrecht; Fortdauer einer bereits lang andauernden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; Notwendigkeit hinreichender fachgerichtlicher Begründung der Gefahrenprognose(hier: Grundrechtsverletzung durch mangelnde Konkretisierung der zu erwartenden ... - rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)
StGB § 67d Abs. 6 S. 3
Rechtsschutz gegen Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in psychatrischem Krankenhaus bei über zwölf-jährigem Freiheitsetziehung infolge Sexualdelikts - datenbank.nwb.de
Stattgebender Kammerbeschluss: Fortdauer einer bereits lang andauernden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt hinreichende fachgerichtliche Begründung der Gefahrenprognose voraus - hier: Grundrechtsverletzung durch mangelnde Konkretisierung der zu ...
Kurzfassungen/Presse
- juraforum.de (Kurzinformation)
Über zehn Jahre Psychiatrie-Unterbringung erfordert gute Begründung
Verfahrensgang
- LG Marburg, 29.10.2020 - 11 StVK 221/20
- OLG Frankfurt, 11.02.2021 - 3 Ws 817/20
- BVerfG, 10.01.2022 - 2 BvR 537/21
Papierfundstellen
- NStZ-RR 2022, 156
Wird zitiert von ... Neu Zitiert selbst (28)
- BVerfG, 08.10.1985 - 2 BvR 1150/80
Fortdauer der Unterbringung
Auszug aus BVerfG, 10.01.2022 - 2 BvR 537/21
Dieser lässt sich für die Entscheidung über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass die Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (vgl. BVerfGE 70, 297 ).Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen (vgl. BVerfGE 70, 297 ).
Abzuheben ist aber auch auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind (vgl. BVerfGE 70, 297 ; BVerfGK 16, 501 ; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2019 - 2 BvR 2256/17 -, Rn. 37).
d) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es zudem, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur so lange zu vollstrecken, wie der Zweck der Maßregel dies unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen nicht genügen (vgl. BVerfGE 70, 297 ; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2019 - 2 BvR 2256/17 -, Rn. 38).
Der im Einzelfall unter Umständen nachhaltige Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs wird jedoch dort an Grenzen stoßen, wo es im Blick auf die Art der von dem Untergebrachten drohenden Taten, deren Bedeutung und deren Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Untergebrachten in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 70, 297 ).
Bleibt das Bemühen des Gerichts um Zuverlässigkeit der Prognose trotz Ausschöpfung der zu Gebote stehenden Erkenntnismittel mit großen Unsicherheiten behaftet, so hat auch dies Eingang in seine Bewertung zu finden (vgl. BVerfGE 70, 297 ).
h) Tragen die Gründe einer Entscheidung über die Fortdauer einer bereits außergewöhnlich lange währenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63, § 67d Abs. 2 StGB) diesen Maßstäben nicht Rechnung, so führt dies dazu, dass die Freiheit der Person des Untergebrachten auf solcher Grundlage nicht rechtmäßig eingeschränkt werden kann; sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist verletzt, weil es an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage für die Unterbringung fehlt (vgl. BVerfGE 70, 297 ).
- BVerfG, 03.07.2019 - 2 BvR 2256/17
Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (Erfordernis …
Auszug aus BVerfG, 10.01.2022 - 2 BvR 537/21
Abzuheben ist aber auch auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind (vgl. BVerfGE 70, 297 ; BVerfGK 16, 501 ; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2019 - 2 BvR 2256/17 -, Rn. 37).d) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es zudem, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur so lange zu vollstrecken, wie der Zweck der Maßregel dies unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen nicht genügen (vgl. BVerfGE 70, 297 ; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2019 - 2 BvR 2256/17 -, Rn. 38).
- LG Marburg, 29.10.2020 - 11 StVK 221/20
Auszug aus BVerfG, 10.01.2022 - 2 BvR 537/21
Der Beschluss des Landgerichts Marburg vom 29. Oktober 2020 - 11 StVK 221/20 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Februar 2021 - 3 Ws 817/20 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 und Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.1. Es ist gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Marburg vom 29. Oktober 2020 - 11 StVK 221/20 - und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Februar 2021 - 3 Ws 817/20 - den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 20 Abs. 3 GG verletzen.
- BVerfG, 12.10.1993 - 2 BvR 2134/92
Maastricht
Auszug aus BVerfG, 10.01.2022 - 2 BvR 537/21
Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ist eine hinreichend deutliche und damit substantiierte und schlüssige Darlegung der behaupteten Verletzung eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts innerhalb der Frist gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erforderlich (vgl. BVerfGE 6, 132 ; 8, 1 ; 11, 192 ; 89, 155 ; 108, 370 ; stRspr).a) Wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, so bedarf es daher in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit den konkreten Entscheidungen und deren konkreter Begründung dahingehend (vgl. BVerfGE 88, 40 ; 101, 331 ; 105, 252 ), dass und weshalb bei dem substantiiert und schlüssig darzustellenden Sachverhalt (vgl. BVerfGE 9, 109 ; 81, 208 ; 84, 366 ; 99, 84 ; 113, 29 ) ein Verstoß der angegriffenen Entscheidungen gegen das mit der Beschwerde geltend gemachte verfassungsbeschwerdefähige Recht möglich erscheint (vgl. BVerfGE 28, 17 ; 65, 227 ; 67, 90 ; 89, 155 ; BVerfGK 9, 174 ).
- BVerfG, 05.02.2004 - 2 BvR 2029/01
Streichung der zehnjährigen Höchstgrenze bei einer erstmalig angeordneten …
Auszug aus BVerfG, 10.01.2022 - 2 BvR 537/21
Das Gesetz geht somit davon aus, dass sich die Gefährlichkeit nach Ablauf von zehn Jahren regelmäßig erledigt hat (vgl. BVerfGE 109, 133 ). - BVerfG, 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91
"Soldaten sind Mörder"
Auszug aus BVerfG, 10.01.2022 - 2 BvR 537/21
b) Zur Substantiierung kann außerdem die Vorlage von Dokumenten erforderlich sein, damit dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung der Verfassungsbeschwerde ohne weitere Ermittlungen möglich ist (vgl. BVerfGE 93, 266 ). - BVerfG, 21.06.1977 - 1 BvL 14/76
Lebenslange Freiheitsstrafe
Auszug aus BVerfG, 10.01.2022 - 2 BvR 537/21
Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 ; 45, 187 ; 58, 208 ). - BVerfG, 26.06.2002 - 1 BvR 558/91
Glykol
Auszug aus BVerfG, 10.01.2022 - 2 BvR 537/21
a) Wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, so bedarf es daher in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit den konkreten Entscheidungen und deren konkreter Begründung dahingehend (vgl. BVerfGE 88, 40 ; 101, 331 ; 105, 252 ), dass und weshalb bei dem substantiiert und schlüssig darzustellenden Sachverhalt (vgl. BVerfGE 9, 109 ; 81, 208 ; 84, 366 ; 99, 84 ; 113, 29 ) ein Verstoß der angegriffenen Entscheidungen gegen das mit der Beschwerde geltend gemachte verfassungsbeschwerdefähige Recht möglich erscheint (vgl. BVerfGE 28, 17 ; 65, 227 ; 67, 90 ; 89, 155 ; BVerfGK 9, 174 ). - BVerfG, 12.04.2005 - 2 BvR 1027/02
Beschlagnahme von Datenträgern und Daten bei Rechtsanwälten und Steuerberaterern …
Auszug aus BVerfG, 10.01.2022 - 2 BvR 537/21
a) Wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, so bedarf es daher in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit den konkreten Entscheidungen und deren konkreter Begründung dahingehend (vgl. BVerfGE 88, 40 ; 101, 331 ; 105, 252 ), dass und weshalb bei dem substantiiert und schlüssig darzustellenden Sachverhalt (vgl. BVerfGE 9, 109 ; 81, 208 ; 84, 366 ; 99, 84 ; 113, 29 ) ein Verstoß der angegriffenen Entscheidungen gegen das mit der Beschwerde geltend gemachte verfassungsbeschwerdefähige Recht möglich erscheint (vgl. BVerfGE 28, 17 ; 65, 227 ; 67, 90 ; 89, 155 ; BVerfGK 9, 174 ). - BVerfG, 18.07.1967 - 2 BvF 3/62
Jugendhilfe
- BVerfG, 19.02.1957 - 1 BvR 357/52
Gestapo
- BVerfG, 01.08.2017 - 2 BvR 3068/14
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde betreffend einen Arzthaftungsprozess
- BVerfG, 07.10.1981 - 2 BvR 1194/80
Baden-Württembergisches Unterbringungsgesetz
- BVerfG, 19.09.2006 - 2 BvR 2115/01
Belehrung ausländischer Beschuldigter über das Recht auf konsularische …
- BVerfG, 07.10.2003 - 1 BvR 1712/01
Exklusivlizenz
- BVerfG, 16.12.1992 - 1 BvR 167/87
Private Grundschule
- BVerfG, 15.12.1999 - 1 BvR 1904/95
Berufsbetreuer
- BVerfG, 23.01.1990 - 1 BvR 306/86
Verfassungsmäßigkeit des Vorbehalts der Gegenseitigkeit bei urheberrechtlichem …
- BVerfG, 11.06.1958 - 1 BvR 1/52
Teuerungszulage
- BVerfG, 29.09.1998 - 2 BvR 1790/94
Finanzielle Unterstützung für kommunale Wählervereinigungen, hier: Erfolglose …
- BVerfG, 08.10.1991 - 1 BvR 1324/90
Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Entscheidung über eine …
- BVerfG, 03.11.1983 - 2 BvR 348/83
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im vorläufigen …
- BVerfG, 15.05.1984 - 1 BvR 967/83
Materiell-rechtlich fehlerhafte Rechtsanwendung und Willkürverbot
- BVerfG, 17.02.1970 - 2 BvR 608/69
Substantiierungspflicht
- BVerfG, 21.01.2010 - 2 BvR 660/09
Unzureichende Berücksichtigung der Haftdauer und des hohen Alters des Betroffenen …
- BVerfG, 08.06.1960 - 1 BvR 580/53
Beurkundungswesen
- BVerfG, 11.05.2017 - 2 BvR 30/15
Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (Nichteinhaltung der …
- BVerfG, 08.01.1959 - 1 BvR 296/57
Fristbeginn zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde bei gerichtlichen …
- OLG Karlsruhe, 04.07.2022 - 2 Ws 20/22
Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach zehn Jahren …
Abzuheben ist aber auch auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind (BVerfG NStZ-RR 2022, 156 m.w.N.).Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann es daher auf die voraussichtlichen Wirkungen der im Falle der Erledigung der Maßregelvollstreckung regelmäßig kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 6 Satz 4 StGB) und der damit verbindbaren weiteren Maßnahmen der Aufsicht und Hilfe (vgl. §§ 68a, 68b StGB), insbesondere also die Tätigkeit eines Bewährungshelfers und die Möglichkeit bestimmter Weisungen, ankommen (BVerfG NStZ-RR 2019, 272; 2022, 156).